Fragen an die Expertenrunde

Eine Experten-Runde im Rahmen der LOB-Tagung diskutierte über gute Studienbedingungen nach dem Auslaufen des QPL. Wie können gute Studienbedingungen weiterhin gewährleistet werden? Wer soll für diese sorgen? Und ganz grundsätzlich, was zeichnet gute Studienbedingungen eigentlich aus?

Hier finden Sie die Fragen und Meinungen für die Expertenrunde, die uns im Vorfeld der Tagung erreicht haben.


In der Hochschullehre zeichnen sich m.E. "gute Studienbedingungen" einerseits durch variierende Lehrveranstaltungsformen (e.g. Vorlesungen, Seminare, Übungen etc.) und andererseits durch eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung in kleineren Gruppen aus. Das setzt voraus, dass die personelle Kapazität für die Lehre an Hochschulen großzügig bemessen wird. Mit dem Ende des Qualitätspakts Lehre entfallen viele Stellen. Wie wird die Universität Mainz den Verlust an Personalstellen kompensieren?


Die rheinlandpfälzische SPD hat sich in ihrem Regierungsprogramm 2016 dazu bekannt, dass sie “für eine dauerhafte und verlässliche Grundfinanzierung unserer Hochschulen” steht, ihre “Autonomie und Gestaltungsfreiheit weiter stärken” will und “den gestiegenen Studierendenzahlen (...) bei der Fortsetzung des Hochschulpakts Rechnung tragen” wird. Wie wird das Ministerium diese programmatischen Aussagen umsetzen?


Im Koalitionsvertrag bekennen sich die regierenden Parteien dazu, dass sie “die Stärkung der Grundfinanzierung konsequent” fortsetzen werden? Wie weit sind Sie mit der Umsetzung dieser Maßnahmen?


Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LOB-Projekte und der HSP-Förderlinien sind schon seit mehreren Jahren befristet angestellt. An den Hochschulen in anderen Bundesländern konnten bereits die ersten unbefristeten Stellen geschaffen werden. In Rheinland-Pfalz ist dies noch nicht möglich, da die Fortsetzung der Finanzierung noch nicht geklärt ist. Während die Bundesmittel zugesagt sind, hüllt sich das Ministerium in Schweigen, was die Höhe und Verteilung der Landesmittel anbelangt. Welche Politiker welcher Ministerien müssen noch davon überzeugt werden, dass eine moderne, zukunfts- und wettbewerbsfähige Hochschule ohne einen hinreichenden Finanzierungsgrad weder für Studierende noch für Lehrende attraktiv ist?


Während das zentrale Motiv des Hochschulpakts die Steigerung bzw. Bewältigung der gestiegenen Studierendenzahlen darstellte, steht im Zukunftsvertrag explizit die dauerhafte Steigerung der Qualität im Mittelpunkt – und das auch bei sinkenden Studierendenzahlen. Inwiefern schlägt sich diese Zielsetzung auf die Fortführung dessen nieder, was zum Beispiel im Rahmen von LOB etabliert wurde?


Im Rahmen der Hochschulpakte konnten die Studierendenzahlen erhöht, die Lehrkapazitäten gesteigert, die erforderliche Infrastruktur bereitgestellt und spezifische Anreiz- und Unterstützungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Welche Aufgaben und Leistungen sind es “wert” fortgesetzt zu werden und wer entscheidet wann darüber?


Laut BMBF werden die bislang befristeten Mittel aus dem Hochschulpakt mit dem Zukunftsvertrag auf Dauer gestellt und gesteigert. Auch die Länder stellen für jeden Euro des Bundes einen Euro bereit, und zwar zusätzlich zur Grundfinanzierung der Hochschulen. Hält sich die Landesregierung an diese Vereinbarung? Wann erhalten die Hochschulen und die Beschäftigten die entsprechenden Informationen?


Sollten die von Bund und Land bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die derzeitigen Aufgaben und Leistungen in Lehre, Administration, Support, Unterstützung und Beratung fortzuführen bzw. weiterzuentwickeln, an welcher Stelle wird gespart werden? Was bedeutet das für die jeweiligen Bereiche und Einrichtungen? Kann es gelingen, das Niveau zu halten bzw. zu steigern, wenn weniger Ressourcen zur Verfügung stehen?


Bereits heute orientieren sich langjährig auf HSP-Stellen Beschäftigte, die ein hohes Maß an Kompetenz in ihren jeweiligen Bereichen aufgebaut haben, beruflich um und verlassen die JGU. Was bedeutet es für die JGU, wenn der Brain Drain in den nächsten Monaten an Fahrt gewinnt?


Die prekäre Arbeitsplatzsituation in Projekten wie diesem veranlasst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, sich beruflich umzuorientieren. Damit gehen auch langjährig aufgebaute Kompetenzen und Netzwerke verloren. Was bedeutet es für die JGU, wenn dieser Brain Drain in den nächsten Monaten an Fahrt gewinnt?


Welche Rolle wird die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen bei deren Fortführung bzw. Abwicklung haben?


Wie können Hochschulen die Qualität der Studienbedingungen gewährleisten, innovative Lehr- und Lernformate entwickeln und Antworten auf die anstehenden Herausforderungen, wie Internationalisierung, Digitalisierung, Flexibilisierung finden, wenn keine entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden?


Was braucht es an Support für die Lehrenden und Studierenden, um gute Studien- und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten und die gegenwärtigen und künftigen Anforderungen, z. B. im Rahmen der RMU zu meistern?


Inwieweit ist es möglich und tragfähig, qualitativ gute Lehre und die damit einhergehenden Beratungs- und Unterstützungsangebote im Rahmen von befristeten Projekten zu gewährleisten?


Die Studierendenschaft wird immer heterogener. Was für Universität und Gesellschaft eine Bereicherung ist, kann für den Einzelnen zu einer enormen Herausforderung werden. Welchen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang gute Beratung? Und wie kann sie gewährleistet werden?


Ist gute Lehre noch ohne Maßnahmen denkbar, wie sie heute hier skizziert wurden?


Welche Hoffnung besteht prinzipiell für die LOB-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Arbeit an der JGU fortsetzen zu dürfen?


Wann werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den LOB-Projekten erfahren, ob sie ihre Arbeit auch über das Jahr 2020 hinaus fortsetzen dürfen?


Welche Bereiche des LOB-Projekts kommen für eine Verstetigung in Frage, welche werden befristet weiterlaufen und welche werden voraussichtlich nicht mehr gefördert werden können?


Welche Auffangmaßnahmen sind für die LOB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter geplant, die zum 31. Dezember 2020 Ihre Stellen verlieren werden? Ist hier auch die Politik gefragt?


Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter identifizieren sich mit der JGU. Sie arbeiten mit viel Engagement und bringen sich auch in ihrer Freizeit ein. Unsicherheit lähmt die Arbeit und wirkt sich auch auf das Engagement aus. Die Angst vor dem Verlust der Arbeit wird größer je näher das Jahr 2020 rückt. Der Wunsch nach Sicherheit führt auch dazu, dass bereits viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine andere Arbeitsstelle gesucht haben. Mit ihnen verlieren wir nicht nur liebgewonnene Kolleginnen und Kollegen - rein ökonomisch betrachtet bedeutet jeder Weggang auch einen Verlust an Wissen und Kompetenz. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist immer kostspielig. Aber auch das Anwerben qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber für eine befristete Stelle gestaltet sich sehr schwierig - was wiederum kostspielig und oftmals auch frustrierend ist. Jeder Wechsel verursacht Unruhe und Kosten. Wie wollen Sie in Zukunft dafür sorgen, dass dieser unhaltbare Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und die damit einhergehende Verschwendung von Engagement und Steuermitteln beendet wird?


Wie ist es nach Meinung des Podiums möglich, gute Studienbedingungen zu schaffen, zu halten oder gar noch zu verbessern, während immer mehr junge Menschen in die Universitäten drängen, denen Grundkenntnisse und -fähigkeiten (sprachlich, mathematisch) für ein erfolgreiches Studium fehlen? Die nötige intensive Betreuung nicht-studierfähiger Studierender ist zumindest in Fächern mit hoher Lehrbelastung nicht zu leisten. Es wird den Fächern aber angekreidet, wenn ein erheblicher Teil der Studierenden nicht zum Abschluss kommt oder dafür weit länger braucht als eigentlich vorgesehen.


Müsste der Diskurs nicht früher beginnen und bereits in den Schulen, den Oberstufen ansetzen und dort eine engere Verzahnung von Schule und Universität stattfinden? Müssten nicht die Schulen etwas mehr in die Pflicht genommen werden mit Blick darauf, wofür sie viele der Schülerinnen und Schüler vorbereitet, ein Studium? Müssten nicht aber genauso die Hochschulen in die Pflicht genommen werden und sich rückblickend an den Schulen orientieren, schauen, mit was Schülerinnen und Schüler nach einem (i.d.R.) Abitur ausgestattet sind? Die Studienbedingungen, besonders zu Beginn, müssten daran angepasst werden und unterstützende Angebote geschaffen werden. Alle müssten sich aufeinander zu bewegen. Es ist naiv zu glauben, dass ein paar freiwillige Zusatzangebote ausreichen, um die Bedingungen des Studierens zu verbessern, wenn sich nicht alle ein bisschen aufeinander zu bewegen und gemeinsam agieren.


Wie sollen die Angebote, die Studierende unterstützen und Mitarbeitende entlasten, weiter stattfinden, wenn nicht für ausreichende Entfristungen gesorgt werden kann? Die Angebote pflegen sich nicht von selbst und die Mitarbeitenden haben nicht spontan mehr Kapazitäten frei, um diese Angebote selbst durchzuführen und wir reden hier nicht nur von zusätzlichen angeboten, sondern auch von Angeboten, die eigentlich durch diese Mitarbeitenden durchgeführt werden sollten, wie etwa die Beratung von Studierenden, die vor dem letzten Prüfungsversuch stehen.


Im Entwurf des neuen Hochschulgesetzes wird erfreulicherweise die Rolle der Studienberatung gestärkt und es wird ein Rechtsanspruch der Studierenden auf Beratung entlang des "student life cycle" - von der Studienorientierung bis zum Studienabschluss - formuliert. Wie wird das Ministerium die Etablierung, Professionalisierung und Vernetzung der Beratungsangebote unterstützen?


Digitalisierung wird auch für die Universität eine wichtige und zentrale Aufgabe sein. Mit welchen Ressourcen werden die Bereiche unterstützt werden, die A) die Technik bereitstellen, und B) welche Supportstrukturen werden bereitgestellt, um die Nutzer (insb. Lehrende) zu beraten? C) Welche Beiträge können die Fachbereiche beisteuern? Bisherige Erfahrungen zeigen (Beispiel CampusNet), dass die Einführung von Software i.d.R. einen sehr weitreichenden Einfluss auf die Arbeitsabläufe hat (meist ergibt sich eine Zentralisierung von Aufgaben). Welche strategischen Bereiche rund um das Studium sollen bei einer Digitalisierung zukünftig im Mittelpunkt stehen und entsprechend aus- bzw. aufgebaut werden?


Förderung von Tutorien, Lerngruppen Partizipatives Lernen - voneinander lernen, Lernen auf Augenhöhe


Wenn seitens des Bundes und der Länder den Hochschulen in Deutschland ab 2021 jährlich fast 4 Milliarden Euro zusätzlich zur Verdauerung der im Hochschulpakt und im Qualitätspakt Lehre erfolgreich durchgeführten Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden, stellt sich die Frage, weshalb nicht die seit vielen Jahren an der Uni Mainz befristet beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sofort eine Zusage für einen Dauervertrag erhalten.


Der Qualitätspakt Lehre hat zumindest in unserem Fachbereich nicht nur sehr gute Ergebnisse für die Studierenden ergeben, sondern es haben sich auch sehr viel intensivere Beschäftigungen mit Aspekten der Lehre und des Studiums ergeben, heißt: Das Bewusstsein dafür, dass man sich auch um Lehre und Studium kümmern muss, ist deutlich gewachsen. Ich sehe die ganz große Gefahr, dass dieses positive Ergebnis ins Gegenteil gewendet wird, wenn zukünftig keine oder nur deutlich weniger Mittel zur Verfügung stehen. Alle Kritiker an einer Förderung von Studium und Lehre würden sich im Nachhinein bestätigt sehen. Wollen das die Hochschulpolitik und die Hochschulleitung?


Im LOB-Projekt wurde endlich einmal auch die Beratung von Studierenden ins Zentrum gerückt, und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden so geschult, dass sie heute wirklich als Profis Beratungen durchführen. Davon profitieren die Studierenden sehr. Welche Chancen bestehen, diese Kolleginnen und Kollegen auf Dauer für diese Aufgabe an der JGU zu halten?


Wollte nicht die Politik Bologna? Aber Bologna ist mehr als bloße Regeln zur Modularisierung und für Leistungspunkte. Was tut das Land dafür, dass Bologna an seinen Hochschulen gelingt?


Wir Hochschullehrer werden aufgefordert, die Heterogenität der Studierenden als „Chance“ zu begreifen. Aber ist es wirklich richtig, jeden, der studieren möchte, auch studieren zu lassen? Da wären doch oft andere Ausbildungswege deutlich bessere Alternativen!


Ich höre immer wieder, dass die Gelder des Hochschulpakts ab 2021 dauerhaft in die Lehre gehen soll. Wird auch daran gedacht, dass neben dem Lehrpersonal auch sehr viele gut qualifizierte Menschen gebraucht werden, damit die Studierenden ihre vielen weiteren Fragen und Anliegen rund um‘s Studium loswerden können und richtig beraten werden? Wenn diese Menschen fehlen, funktioniert das Studieren sehr viel schlechter.


Im Zusammenhang mit dem Qualitätspakt haben sich sehr viele Hochschulen auf die Studieneingangsphase konzentriert und zumeist gute Angebote für die Neustudierenden entwickelt. Was man sehr viel seltener beobachtet sind Angebote am Ende des Studiums, für die Berufseinmündung. Wie beurteilen die Fachleute diese Phase? Braucht es nicht an jeder Hochschule ein solches Angebot?


Wie sollen wir an der Uni Mainz gute Lehre machen, wenn ein Hochschullehrer 60 Studierende oder mehr zu betreuen hat? In anderen Bundesländern sind die Betreuungsrelationen sehr viel besser. Ist denen die Hochschulbildung wichtiger, als in Rheinland-Pfalz?


Wenn die JGU irgendwo vom Bologna-Prozess profitiert hat, dann von der Einrichtung von Studienbüros in allen Fachbereichen. Aber immer noch sind viele Mitarbeiter*innen in den Studienbüros nur befristet bis höchstens 2020 beschäftigt. Meint die Uni und meint das Land tatsächlich, dass sie auf diese Mitarbeiter*innen zukünftig verzichten kann? Das wäre fatal!


Wie kann es gelingen, dass die Anforderungen und Erwartungen der Hochschulen an ihre Studienanfänger/innen von den Schulen verstanden und endlich umgesetzt werden? Es ist doch idiotisch, einerseits die Schulzeit zu verkürzen und andererseits Brückenkurse und Orientierungssemester an den Hochschulen einzurichten, um die Defizite auszugleichen.


Die rheinland-pfälzischen Hochschulen haben deutlich weniger ausländische Studierende als andere Bundesländer. Welche Möglichkeiten sieht das Ministerium, die Universitäten und Fachhochschulen hier zu unterstützen, damit sie im Ausland attraktiver werden?


Im LOB-Projekt hat die Universität Mainz ihr wissenschaftsstützendes Personal sehr konstruktiv und gezielt gefördert. Inzwischen profitieren alle, Lehrende und Studierende, erheblich von dieser hohen Kompetenz. Was unternimmt das Land, damit diese Kompetenzen auch weiterhin in den Hochschulen tätig werden können?


Seit 2008 an der Uni als Wiss. Mitarbeiter beschäftigt, immer in neuen befristeten Verträgen, immer wieder vertröstet. Jetzt soll es nach 2020 nicht mehr weitergehen, obwohl man doch laut Zeitung den Hochschulpakt verstetigt hat! Das ist nicht fair! Muss ich mir wirklich einen Anwalt nehmen?


Immer weniger Schülerinnen und Schüler fangen ein Studium in Rheinland-Pfalz an. Was tut das Land dafür, um diesen Negativtrend umzukehren?


Ist der Hochschulleitung und dem Ministerium klar, was neben Lehrenden noch alles nötig ist, damit Studierende gut durch‘s Studium kommen? Und was wollen die Hochschulleitung und das Ministerium dafür tun, damit auch diese Bereiche eine Zukunft an der Universität haben?


Es ist eindeutig zu beobachten, dass immer mehr Studierende unter psychischen Problemen zu leiden haben. Prüfungsangst, Redestörungen, Depressionen etc. haben eindeutig zugenommen. Wäre es nicht auch wichtig, dass sich die Universität um solche Probleme kümmert? Es sind immerhin ihre Studenten, für die sie Verantwortung trägt!